Sozial­versicherungs­pflicht bei mitarbeitenden Familien­angehörigen

Von StB Dipl.-Kffr. Claudia Will Stand 2006

Mitarbeitende Familienangehörige bezahlen als angestellte Arbeitnehmer des Familienbetriebes regelmäßig Sozialversicherungsbeiträge und glauben, damit sozial abgesichert zu sein. Dies stimmt jedoch nicht! Widersprüchlicherweise begründet das regelmäßige Entrichten von Beiträgen an Renten- und sonstige Sozialkassen allein noch keinen Anspruch auf eine spätere Versorgung. Voraussetzung ist vielmehr das Vorliegen der Versicherungspflicht.

Die Versicherungspflicht setzt ein sog. abhängiges Beschäftigungsverhältnis voraus. Dies ist zu bejahen, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • Der Angehörige übt die Beschäftigung tatsächlich aus und ist wie ein fremder Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert.
  • Der Angehörige unterliegt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Erkennbar ist dies z.B. an festen Arbeitszeiten und konkreten Aufgaben. Ansonsten wird unterstellt, der Angehörige sei unternehmerisch tätig.
  • Der Angehörige wird anstelle eines fremden Arbeitnehmers beschäftigt, ohne ihn müsste also ein anderer Mitarbeiter beschäftigt werden.
  • Für die Arbeitsleistung ist ein Entgelt vereinbart, dass auch regelmäßig gezahlt wird und angemessen ist. Der mitarbeitende Familienangehörige muss frei und uneingeschränkt über das Arbeitsentgelt verfügen können.

Erfahrungsgemäß sind mitarbeitende Familienangehörige an den unternehmerischen Handlungen beteiligt und verfügen über mehr Freiheiten als normale Angestellte. In schlechten Phasen verzichten sie auf Lohn, sie bestehen nicht auf Urlaubsanspruch im Arbeitsvertrag, sie geben dem Unternehmen ein Darlehen oder haben dem Familienbetrieb ihre Immobilien vermietet. Nicht sozialversicherungspflichtig wäre beispielsweise auch die Frau des Handwerksmeisters, die vor 20 Jahren auf der Bank den Kontokorrentkredit zu Gunsten ihres Mannes mitunterschrieben hat. Das hätte nach Ansicht der Sozialgerichte kein normaler Angestellter für seinen Arbeitgeber getan.

Die Sozialversicherungsträger prüfen, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder aber familienhafte Mitarbeit vorliegt. Bei der familienhaften Mitarbeit bestehen keine Versicherungspflicht und somit auch kein Anspruch auf Sozialleistungen. Es wurden dann jahrelang Sozialabgaben entrichtet, obwohl dazu keine Verpflichtung bestand. Die Betroffenen können in diesem Fall nur noch die Rückerstattung der zu Unrecht eingezahlten Beiträge verlangen. Allerdings erhält man wegen geltender Verjährungsvorschriften nur die Einzahlungen der letzten vier Jahre in die Arbeitslosenversicherung zurück. Erfreulicherweise erstatten die Rentenkassen jedoch alle bis zu 30 Jahre eingezahlten Beiträge zurück. Neben den verjährten Beiträgen ist als weiterer Schaden der entgangene Zinsgewinn entstanden. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Ersatz des Zins- und Verjährungsschadens. Des Weiteren ist zu beachten, dass zurückerstattete Beiträge nachträglich zu versteuern sind.

Es ist darauf hinzuweisen, dass bei Verneinung der Versicherungspflicht definitiv keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erfolgen. In der Rentenversicherung hingegen kann ein Anspruch auf Altersrente auch aufgrund freiwillig entrichteter Beiträge ausgelöst werden. Ansprüche auf Erwerbsunfähigkeitsrente bedürfen jedoch auch der Pflichtbeiträge.

Für alle Neueinstellungen ab dem 1. Januar 2005 gilt, dass die Einzugsstelle der Sozialversicherungsbeiträge bei Erkennen eines mitarbeitenden Familienangehörigen verpflichtet ist, ein förmliches Feststellungsverfahren bei der BfA einzuleiten. Der Arbeitgeber meldet dabei das Beschäftigungsverhältnis bei der zuständigen Krankenkasse an. Dazu wird in der Meldung das Statuskennzeichen „1“ eingetragen. Die Krankenkasse sendet daraufhin dem Arbeitgeber einen Fragebogen zu, anhand dessen der Arbeitnehmerstatus abgeklärt wird. Geht daraus eindeutig hervor, dass z. B. keine Unternehmerschaft vorliegt, stellt die Krankenkasse auf der Basis der vorliegenden Daten die Sozialversicherungspflicht fest und teilt dies dem Arbeitgeber und dem Versicherten mit. In Ausnahmefällen leitet die Krankenkasse die Unterlagen zur endgültigen Entscheidung an die BfA weiter; dies ist z. B. insbesondere dann der Fall, wenn der Ehegatte/Lebenspartner finanziell an dem Betrieb beteiligt ist.

In den so genannten „Bestandsfällen“ ist für die versicherungsrechtliche Beurteilung generell die Krankenkasse zuständig. Hierbei handelt es sich um mitarbeitende Angehörige, die ihre Beschäftigung bereits vor dem 1. Januar 2005 aufgenommen haben und zum Teil schon seit Jahren ausüben. Diese Sachverhalte sind ausschließlich von den Krankenkassen zu entscheiden. Betroffene können sich hierzu an ihre Krankenkasse wenden. Das Feststellungsverfahren erfolgt hier nur auf Antrag. Die Beantragung kann durch den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer oder gemeinsam erfolgen. Der festgestellte Status ist dann für alle Sozialversicherungsträger bindend.

Die Feststellung der Sozialversicherungsfreiheit kann Vorteile haben:

  • Es besteht Entscheidungsfreiheit in der Wahl der Krankenkasse (freiwillig gesetzlich oder privat),
  • das Gehalt wird ohne Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen gezahlt und
  • es entsteht zusätzliche Liquidität für den Aufbau einer privaten Vorsorge.

Ein nicht zu vernachlässigender Nachteil ist jedoch der Wegfall des Insolvenzschutzes, da kein Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung besteht. Zudem ist zu beachten, dass für den Fall der eigenen Insolvenz auch die private Altersvorsorge häufig für immer verloren ist. So müssen Lebensversicherungen aufgelöst und der Rückkaufswert zur Schuldentilgung verwendet werden. Die Rente aus öffentlichen Kassen hingegen ist sicher vor der eigenen Verbraucherinsolvenz.

Um Klarheit und Rechtsicherheit zu haben sollte der versicherungsrechtliche Status von mitarbeitenden Familienagehörigen festgestellt werden. Der sozialversicherungsrechtliche Status von mitarbeitenden Familienangehörigen ist ohne ein verbindliches Feststellungsverfahren schwebend ungeklärt. Die Versagung von Leistungen an mitarbeitende Familienangehörige durch die Sozialversicherungsträger ist vor dem Hintergrund leerer Haushaltskassen nicht unwahrscheinlich.