Bilmog, Befreiung von der Buchführungspflicht für Einzelkaufleute

Das BilMoG beinhaltet die Reform des deutschen Bilanzrechts. Schwerpunkt ist dabei die Aussagekraft des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zu verbessern und die Annäherung an internationale Rechnungslegungsstandards. Zudem soll angeblich eine Deregulierung/ Kostensenkung zugunsten kleiner/mittlerer Unternehmen bewirkt werden.

Neben zahlreichen Änderungen zum Bilanzrecht brachte das BilMoG auch das Wahlrecht einer Befreiung von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht für kleine Einzelkaufleute (nicht für Personenhandels- und Kapitalgesellschaften). Nach Einschätzung des Gesetzgebers soll diese Deregulierungsvorschrift eine Kostenentlastung von ungefähr 1 Mrd. € zur Folge haben. Nach bisherigem Handelsrecht war die Finanzbuchhaltung und die Aufstellung des Jahresabschluss eine Pflicht des Kaufmanns (§§ 238, 242 HGB).

Durch den mit dem BilMoG neu eingeführten § 241 a und § 242 Abs. 4 HGB werden Einzelkaufleute unter bestimmten Voraussetzungen aber von der Verpflichtung zur Buchführung und Abschlusserstellung befreit. Dies gilt, wenn:

  • am Ende von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren
  • die Umsätze den Betrag von 500.000 EUR und
  • der Jahresüberschuss den Betrag von 50.000 EUR nicht übersteigen.

Die Befreiung von der Buchführungspflicht gilt bereits rückwirkend für das Geschäftsjahr 2008. Da aber das BilMoG erst am 29. Mai 2009 in Kraft getreten ist, ist eine Umstellung für 2008 oder 2009 rückwirkend wenig sinnvoll gewesen, da die Buchführung bereits erstellt war. Für das laufende Geschäftsjahr und die Zukunft stellt sich jedoch grundsätzlich die Frage, ob eine Inanspruchnahme der Befreiungsvorschrift möglich bzw. sinnvoll ist.

Vorab sollte aber noch einmal erklärt werden, was die handelsrechtliche Buchführungspflicht eigentlich beinhaltet. Gem. § 238 HGB ist jeder ins Handelsregister eingetragene oder eintragungspflichtige Kaufmann verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen. Der Kaufmann ist zudem verpflichtet, eine mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergabe der versandten Handelsbriefe (Lieferscheine, Rechnungen etc.) als Kopie oder sonstige Wiedergabe auf einem Schrift-, Bild- oder anderen Datenträger zurückzubehalten. Die §§ 239 ff. HGB regeln dabei weitere Details zur Beschaffenheit der Handelsbücher und die Verpflichtung zur Erstellung eines Inventars (Anlagevermögen, Vorräte). Aus § 242 HGB ergibt sich des Weiteren die Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses (Bilanz, GuV). Vorgaben zur Aufbewahrung von Unterlagen und die jeweiligen Aufbewahrungsfristen ergeben sich aus den §§ 257 ff. HGB. Der Ausdruck „doppelte“ (Finanz-)Buchführung heißt dabei, dass jeder Geschäftsvorgang in zweifacher Weise erfasst wird (z.B. Erfassung einer Kundenforderung: 1) Buchung der Forderung, 2) Gegenbuchung Umsatz).

Grundsätzlich ist festzuhalten, das die Buchführung eben nicht nur die EDV-mäßige Erfassung der Geschäftsvorfälle (Finanzbuchhaltung) und Aufstellung eines Jahresabschlusses, sondern auch Regelungen zur Führung und Aufbewahrung sämtlicher im Rahmen des Unternehmens benötigten und erstellten Unterlagen, Aufzeichnungen und Auswertungen beinhaltet.

§§ 241a HGB und § 242 Abs. 4 HGB sehen nun die Befreiung von diesem Vorgaben vor. Aber kann man tatsächlich vollumfänglich auf die Führung von Handelsbüchern etc. verzichten? Müssen gar keine Aufzeichnungen mehr gemacht und aufbewahrt werden?

Zunächst ist wichtig, dass es sich hierbei um einen rein handelsrechtlichen Sachverhalt handelt, der auch nur die ins Handelsregister eingetragenen oder eintragungspflichtigen Unternehmen betrifft. Für steuerliche Zwecke ist auch weiterhin eine Gewinnermittlung erforderlich. Grundsätzlich greift das Steuerrecht dabei auf die handelsrechtliche Buchführung/Jahresabschluss zurück (§ 140 AO: Führung von Büchern nach anderen Gesetzen, z.B. HGB). Daran hat sich auch durch das BilMoG nichts geändert. Darüber hinaus enthält § 141 AO als Spezialvorschrift originäre steuerrechtliche Buchführungsvorschriften und betrifft einen Personenkreis, der durch § 140 AO nicht erfasst wird. Hierzu zählen nicht im Handelsregister eingetragene oder eintragungspflichtige gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte. Steuerpflichtige mit Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit (Ärzte, Architekten etc.) fallen dabei nicht unter § 141 AO. Die steuerrechtliche Buchführungspflicht gem. § 141 AO für die gewerbetreibenden Nichtkaufleute orientiert sich an den gleichen Schwellenwerten wie das HGB nach BilmoG. So ist steuerliche Buchführungspflicht für Gewerbetreibende gegeben, wenn die Umsätze im Kalenderjahr mehr als 500 T€ und Gewinn aus Gewerbebetrieb mehr als 50 T€ betragen. Nach § 141 Abs. 1 Satz 2 AO werden dabei die handelsrechtlichen Bestimmungen gem. §§ 238 ff. HGB explizit übernommen.

Darüber hinaus definiert das Steuerrecht auch eigene Anforderungen inhaltlicher und formaler Art hinsichtlich der Beschaffenheit von zusätzlich erforderlichen Aufzeichnungen. So sind gem. §§ 143, 144 AO alle gewerblichen Unternehmer (größenunabhängig) zur Aufzeichnung des Warenein- und ausgangs verpflichtet. Kasseneinnahmen und -ausgaben sollen dabei täglich festgehalten werden. Diese Aufzeichnungen und die Gewinnermittlung müssen dabei gem. § 145 Abs. 1 AO so beschaffen sein, dass sie einem Sachverständigen (z.B. Betriebsprüfer!) innerhalb angemessener (d.h. kurzer) Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln können. Sofern dies bei nicht mehr ganz kleinen Unternehmen nicht mehr durch eine „Sammlung im Schuhkarton“ gewährleistet werden kann, ist dann evtl. doch eine Erfassung über eine EDV-gestützte Finanzbuchhaltung erforderlich.

Sofern aufgrund der Unterschreitung der Grenzen keine handelsrechtliche Buchführung oder steuerrechtlich Buchführung/Jahresschlusserstellung gem. § 141 AO gegeben ist, würde eine Einnahme-Überschuss-Rechnung (EÜR) für die steuerliche Gewinnermittlung genügen. Wie zuvor dargestellt sind aber trotzdem Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zu beachten. Die der Gewinnermittlung zu Grunde gelegten Daten müssen im Zweifel nachgewiesen werden. So gelten grundsätzlich für den Steuerpflichtigen diverse Mitwirkungspflichten. So hat der Steuerpflichtige z.B. gem. § 200 AO bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Er hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die Finanzbehörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse zu unterstützen. Sofern Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielt werden sind die Vorgaben der §§ 140 ff. AO grundsätzlich zwar nicht anwendbar. Es gelten aber auch hier die allgemeinen Mitwirkungspflichten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die jeweiligen Einzelsteuergesetze zusätzliche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten vorsehen (z.B. USt im Bereich der steuerfreien Lieferungen, Anforderungen an den Vorsteuerabzug etc.).

Es kann damit festgehalten werden, dass bei Ausübung des Wahlrechts gem. § 241a HGB bei der in der Regel dennoch faktisch erforderlichen EDV-Finanzbuchhaltung sowie der Erstellung einer Gewinnermittlung nur die zusätzliche periodengerechte Erfassung von Forderungen und Verbindlichkeiten, Vorräten, Rechnungsabgrenzungsposten oder Rückstellungen entfallen. Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten sind, insbesondere auch aus steuerlicher Sicht, aber weiterhin einzuhalten. Es ist daher fraglich, ob sich bei Inanspruchnahme des Wahlrechts tatsächlich eine erhebliche Erleichterung und Kostenersparnis ergibt. Auch für die Finanzbuchführung und Gewinnermittlung im Rahmen einer EÜR ist die Erfassung der Zahlungsvorgänge, eine Anlagenbuchhaltung etc. erforderlich. Bei Unternehmen mit generell nur geringen Vorräten, Forderungen und Verbindlichkeiten (Sofort- oder Barzahler wie z.B. Gaststätten, Friseure, Bäcker) sowie wenig Abgrenzungsbedarf dürfte daher der Unterschied auch nur marginal sein.

Um sich für oder gegen die Inanspruchnahme des Wahlrechts zur Befreiung von der Buchführungspflicht entscheiden zu können, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Welche Informationen über das Unternehmen erwartet der Unternehmer selbst vom Rechnungswesen?

I.d.R soll das Rechnungswesen dem Unternehmer jederzeit Informationen über die Entwicklung der Kundenforderungen, Lieferantenverbindlichkeiten, der eigenen Zahlungsfähigkeit, über Kalkulationsgrundlagen u.ä. liefern. Es soll aussagefähige betriebswirtschaftliche Daten ausweisen, auf deren Basis Unternehmensplanungen möglich sind. Wenn von der Befreiung von der Buchführungspflicht Gebrauch gemacht wird, stellt sich die Frage, ob die dann für steuerliche Zwecke erforderliche EÜR diese für die Unternehmensführung unverzichtbaren Informationen liefern kann.

  • Was ist der Unterschied zwischen einer Buchführung mit Abschlusserstellung und einer EÜR?

Bei einer EÜR wird das Betriebsergebnis nach dem Grundsatz vereinnahmte (zugeflossene) Betriebseinnahmen abzüglich verausgabter (abgeflossener) Betriebsausgaben ermittelt. Ausnahmen gibt es u.a. für Anlageinvestitionen (Ausgabe hier nur die Abschreibung). Auf den ersten Blick erscheint die für steuerliche Zwecke erforderliche EÜR eine einfache Lösung zu sein. Es müssen lediglich alle betrieblich veranlassten Zahlungsvorgänge aufgezeichnet und gegenübergestellt werden. Mindestaufzeichnungen sind aber auch für die EÜR erforderlich (Sachanlagenverzeichnis, Aufzeichnung der Betriebseinnahmen, Wareneingangsbuch). Ein entscheidender Nachteil des so ermittelten, nicht leistungs- sondern zahlungsstromorientierten Betriebsergebnisses ist jedoch, dass keine periodengerechte Zuordnung von Erlösen und Aufwendungen erfolgt und damit nicht auf den tatsächlich erwirtschafteten Jahresgewinn abgestellt wird. Eine Basis für unternehmerische Entscheidungen kann die EÜR damit nur bedingt sein, da nur eingeschränkt aussagefähige betriebswirtschaftliche Auswertungen erstellt werden können. Vorräte werden z.B. nicht dargestellt. Sofern Kundenforderungen oder Lieferantenverbindlichkeiten nicht beglichen werden, fließen diese nicht in die Gewinnermittlung ein. Bei z.B. in der Verlustzone operierenden zahlungsklammen Unternehmen würde daher der erwirtschaftete betriebswirtschaftliche Verlust in Höhe der sich auftürmenden Verbindlichkeiten gegen Lieferanten, Arbeitnehmern, Finanzamt etc. gar nicht in der Ergebnisrechnung widerspiegeln. Es kommt zu entsprechenden Ergebnisverzerrungen. Allerdings können in einem gewissen Rahmen diese Ergebnisverzerrungen auch aktiv zur Darstellung eines bestimmten (steuerrechtlichen) Wunsch-Ergebnisses hervorgerufen werden (z.B. zur Ergebnisminderung zum Jahresende durch erhöhten Wareneinkauf, vorzeitige Zahlung von Lieferantenverbindlichkeiten, Hinausschieben der Fälligkeit von Kundenforderungen ins neue Jahr oder z.B. zur Ergebniserhöhung durch Hinausschieben der Zahlung von Lieferantenverbindlichkeiten, ausgeschobenen Wareneinkauf, Vorziehung von Kundenzahlungen).

Bei der Bilanzierung (Aufstellung eines Jahresabschlusses) werden alle Aufwendungen und Erträge in der Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Verursachungszeitpunkt erfasst, unabhängig vom Zahlungsvorgang. Die Bilanz ist dabei die Vermögensübersicht des Unternehmens am Aufstellungsstichtag. Aufgezeichnet werden die Forderungen, das Anlage- und Vorratsvermögen, Kassen- und Bankbestände und alle Verbindlichkeiten. Durch die zusätzliche Erfassung von Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen werden die Erträge und Kosten möglichst auf den Zeitraum ihrer wirtschaftlichen Verursachung verteilt. Dabei ergeben sich insbesondere Rahmen der Bewertung gewisse Spielräume zur Steuerung des Bilanzbildes und des handelsrechtlichen bzw. steuerrechtlichen Ergebnisses.

Darüber hinaus ist unklar, ob vor dem Hintergrund ggf. vorliegender Kredite bei Kreditinstituten eine Befreiung von der Buchführungspflicht faktisch überhaupt möglich bzw. sinnvoll ist. Die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens kann aus Sicht der Banken (auch andere Gläubiger) häufig nur anhand des handelsrechtlichen Jahresabschlusses beurteilt werden. Insbesondere die nach § 18 KWG oder internen Richtlinien der Bank erforderliche Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist häufig nur durch die Aufstellung eines Jahresabschlusses möglich. Wird dieser nun nicht mehr aufgestellt, muss i.d.R. eine Vermögensübersicht erstellt werden, die dieselben Informationen liefert, da die Kreditinstitute insbesondere an Informationen über die bestehende Verschuldungssituation interessiert sind. Neben der EÜR sind dann zusätzliche Aufzeichnungen erforderlich. Für Kreditverhandlungen mit Banken z.B. für die Gewährung neuer Kredite oder Verlängerung bestehender Kreditverträge kann allein mit einer EÜR häufig keine aussagekräftige Grundlage geliefert werden. Die Nichtführung einer handelsrechtlichen Rechnungslegung und der daraus ableitbaren internen Controllingauswertungen wirkt sich dann unter Umständen negativ auf das Kreditrating und damit auf die Kreditkonditionen aus. Dies gilt bei im Kleinunternehmerbereich häufig anzutreffenden Problemkreditengagementen natürlich nur insoweit, wie mit zusätzlichen Auswertungen überhaupt eine Verbesserung des Kreditratings noch erzielbar wäre.

Weitere zu beachtende Punkte sind:

  • Erkennen von Krisensituationen (Gefahr, dass Unternehmenskrisen oder Überschuldung/Zahlungsunfähigkeit nicht rechtzeitig erkannt werden, weil nur Mindestaufzeichnungen geführt werden)
  • Übergang von Bilanzierung zur EÜR (Wechsel Bilanzierung/EÜR erfordert Überleitungsrechnung mit ggf. anfallenden Übergangsgewinn oder
  • Bei Überschreiten der Schwellenwerte wieder handelsrechtliche Buchführungspflicht (dann ggf. fehlender Unterlagen z.B. Inventur)
  • Betriebsaufgabe/-veräußerung (Spätestens dann steuerlichen Schlussbilanz)

Die folgenden Beispiele soll zeigen, welche Auswirkungen sich ergeben können:

EIN EINZELKAUFMANN STELLT SEIT JAHREN EINEN HANDELSRECHTLICHEN JAHRESABSCHLUSS AUF. IN DEN JAHREN 1, 2 UND 3 ERGEBEN SICH FOLGENDE SCHWELLENWERTE:

Jahr 1Umsatz: 520 T€Gewinn 45 T€
Jahr 2Umsatz: 495 T€Gewinn 39 T€
Jahr 3Umsatz: 433 T€Gewinn 21 T€

GEMÄSS DEN VORGABEN VON § 241A HGB WÄRE AB BEGINN DES JAHRES 4 DIE MÖGLICHKEIT VON DER BEFREIUNG GEGEBEN. ALLERDINGS KÖNNTE SICH IN DEN FOLGEJAHREN AUCH WIEDER EIN ANDERES BILD ERGEBEN

Jahr 1Umsatz: 520 T€Gewinn: 45 T€
Jahr 2Umsatz: 495 T€Gewinn: 39 T€
Jahr 3Umsatz: 433 T€Gewinn: 21 T€
Jahr 4Umsatz: 470 T€Gewinn: 52 T€
Jahr 5Umsatz: 470 T€Gewinn: 49 T€
Jahr 6Umsatz: 433 T€Gewinn: 21 T€
Jahr 7Umsatz: 502 T€Gewinn: 49 T€

Nachdem ab dem Beginn des Jahres 4 zwar die Befreiungsmöglichkeit gegeben ist, tritt schon mit Beginn des Jahres 5 wegen Überschreiten der Gewinngrenze im Jahr 4 die Buchführungspflicht wieder ein. Hier gilt auch kein Zwei-Jahreszeitraum. Schon die einmalige Überschreitung eines Grenzwertes (Umsatz oder Gewinn) lösen die Buchführungspflicht für das Folgejahr (Jahr 5) wieder aus. Ab Beginn des Jahres 7 könnte wiederum die Befreiung in Anspruch genommen werden, da in 5 und 6 die Schwellenwerte unterschritten werden. Im Jahr 7 werden aber wieder die Grenzwerte überschritten, so dass ab Beginn des Jahres 8 wieder die Buchführungspflicht gilt. Paradoxer Weise wird in dem obigen Beispiel dann nicht in den Jahren bilanziert werden müssen, in denen die Umsätze und Gewinne hoch sind, sondern in den Folgejahren mit den niedrigen Zahlen. Das Beispiel soll verdeutlichen, welches unsinniges Hin und Her sich im Einzelfall ergeben kann. Dazu müssen dem Unternehmer die entsprechenden Informationen dann auch frühzeitig vorliegen, damit sich dieser rechtzeitig auf evtl. wieder erhöhte Anforderungen einstellen kann z.B. für die Einplanung der Vorratsinventur etc. Eigentlich müsste dann zu Beginn des jeweils wieder buchführungspflichtigen Geschäftsjahrs auch noch eine Eröffnungsbilanz (=Schlussbilanz des Vorjahres) erstellt werden. Dann hätte man sich im obigen Beispiel gar keine Bilanz erspart. Maßgebend für die Prüfung der Schwellenwertüberschreitung sind dabei die jeweiligen Zahlen bei Bilanzierung. Soweit zulässigerweise nur eine EÜR vorliegt, soll durch eine überschlägige Berechnung die maßgeblichen Umsatz- und Jahresüberschusszahlen für die Prüfung des Überschreitens der Schwellenwerte ermittelt werden. Insgesamt resultiert hieraus daher eher eine zusätzliche Komplexität als eine Vereinfachung. Um ein verwirrendes Hin- und Her zu vermeiden, sollte daher die Befreiung nur bei auch in der Zukunft voraussichtlich deutlich unter den Grenzwerten liegenden Unternehmen gewählt werden.

Die Folgen beim Wechsel von einer Einnahmenüberschussrechnung zum Betriebsvermögensvergleich soll folgende Darstellung zeigen:

Gewinn/Verlust vor Überleitung
+ offene Kundenforderungen (brutto)
+ Sonstige offene Forderungen (brutto)
 + Geleistete Anzahlungen (brutto)
+ Aktive Rechnungsabgrenzungsposten
+ Vorsteuer aus offenen Verbindlichkeiten
= Zwischensumme
– Lieferantenschulden (brutto)
– Sonstige Verbindlichkeiten (brutto)
– Erhaltene Anzahlungen (brutto)
– Rückstellungen
– Passive Rechnungsabgrenzungsposten
– Umsatzsteuer aus offenen Forderungen
– Offene Umsatzsteuer aus Vorjahr
= Übergangsgewinn/-verlust

Für den Wechsel von der EÜR zurück zur Bilanzierung gilt die Aufstellung entsprechend mit umgekehrten Vorzeichen.

Bei jedem Wechsel von der Bilanzierung zur EÜR oder zurück wird damit eine mehr oder weniger aufwendige Überleitungsrechnung erforderlich, die die eventuell einzusparenden Kosten auch leicht überkompensieren kann und dabei auch schnell zu unerwünschten/unbedachten steuerrechtlichen Ergebnissen führen kann. Auf Antrag kann der Übergangsgewinn gleichmäßig entweder auf das Jahr des Übergangs und das folgende Jahr oder auf das Jahr des Übergangs und die beiden folgenden Jahre verteilt werden. Dadurch sollen übermäßige Gewinnballungen abgemildert werden können.

Die vorherigen Ausführungen machen deutlich, dass die Frage, ob von dem Wahlrecht der Befreiung von Buchführungspflicht/Abschlusserstellung Gebrauch gemacht werden kann bzw. sollte, im Einzelfall zu prüfen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein vollumfänglicher Verzicht auf sämtliche Buchführungspflichten nur für sehr kleine Einzelkaufleute möglich ist („Buchführung im Schuhkarton“). Alle übrigen Kaufleute können insbesondere auf die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsvorschriften und damit auch auf die EDV-Buchführung nicht verzichten. Letztlich stellt sich hier nur die Frage des Wechsels von der Bilanz zur steuerrechtlichen EÜR als Grundlage der Gewinnermittlung. Ob damit tatsächlich eine Kostenersparnis verbunden ist oder diese im Vergleich zu anderen negativen Konsequenzen nicht von untergeordneter Bedeutung ist, wäre abzuwägen. Bei Unternehmen mit generell nur geringen Vorräten, Forderungen und Verbindlichkeiten und wenig Abgrenzungsbedarf wäre aufgrund der zu erwartenden nur geringen Kostenersparnis, diese Kostenersparnis nicht entscheidungsrelevant. Die Einschätzung des Gesetzgebers einer daraus resultierenden Kostenentlastung bei kleinen und mittleren Unternehmen von insgesamt 1 Mrd. € erscheint daher völlig abwegig und in keinster Weise auch nur annähernd nachvollziehbar.

Abschließend ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass es als dringend geboten angesehen wird, zu klären, in welcher Form etwaige Buchführungsarbeiten etc. künftig vorgenommen werden sollten. Das für und wider einer Inanspruchnahme der Buchführungsbefreiung sollte dabei abgewogen werden. Als dringend erforderlich wird auch das Gespräch mit den betreffenden Kreditinstituten angesehen, um vorab zu klären, welche Informationen, in welcher Art und Weise von diesen in Zukunft gewünscht sind.